Indie-Disco oder Hip-Hop-Club – Wer gewinnt im Sexismuscheck?

von Markus Textor

Indie vs. Rap: The Strokes vs. Missy Elliott (Quelle: Wikimedia, Montage Männerkritik)
Indie vs. Rap: The Strokes vs. Missy Elliott (Quelle: Wikimedia, Montage Männerkritik)

Die meisten bürgerlichen Millennials, die um die Jahrtausendwende musikalisch sozialisiert wurden, können mit Rapmusik aus den Staaten nicht allzu viel anfangen. Viel zu sexistisch und gewaltverherrlichend. Auf dem Gymnasium gab’s so was nicht. Höchstens Blumentopf oder Freundeskreis. Man erinnert sich lieber an die gute alte Zeit der 00er Jahre zurück, als man in der Indie-Disco zu den sogenannten The-Bands wie The Strokes, The Hives oder The Libertines getanzt hat: Kein Sexismus, keine Gewalt, heile Welt. Oder besser gesagt: heile Männerwelt. Denn Frauen hörte man dort kaum.

Wer hingegen in den 00er Jahren mit US-Hip-Hop aufgewachsen ist, der weiß, was die Millenials erst in der Spex nachlesen mussten: Weibliche Protagonistinnen gibt es im Rap nämlich nicht erst seit Nicky Minaj oder Cardi B. Wer damals im Hip-Hop-Club gebounct hat, hat miterlebt, dass weiblicher Rap dort rauf und runter lief. Die Rapperinnen verdienten viel Geld, kollaborierten mit den männlichen Kollegen und sprachen übrigens auch damals schon selbstbewusst über Sex. Ohne Ikonen wie Lil` Kim, Lauryn Hill oder gar Missy Elliott wäre das Rapgame unvorstellbar. Dasselbe gilt für großartige R’n’B-Künstlerinnen wie Aaliyah, Ashanti oder Beyoncé, die ebenso ihren Platz in der Szene hatten. Es war damals vollkommen normal, weibliche Musikerinnern zu hören und im Club zu feiern. Auch für Männer. Shindy weiß das übrigens auch. 

Wer zur selben Zeit in der Indie-Disco getanzt statt gebounct hat, konnte lange warten bis mal ein weiblicher Act gespielt wurde. Stundenlang hörte man den angesagten (überwiegend weißen) Sound aus den Staaten oder von der Insel. Stundenlang hörte man Männer, die über dies und das sangen, beispielsweise davon, dass Sie darauf wetten, dass das Mädchen an der Kasse auf der Tanzfläche bestimmt gut aussieht. Hört sich eigentlich an wie ein Schlager aus den 50ern, ist aber amtlicher Indie-Rock aus England. Obwohl es damals auch schon tolle weibliche bzw. sogenannte female-fronted Indie-Rock Bands wie die Yeah Yeah Yeahs, CSS oder Le Tigre gab, spielte Mann in der Indie-Disko trotzdem lieber überwiegend Männermusik.

Bedeutet das nun, dass Hip-Hop in jedem Fall die bessere Wahl ist? Nein, das bedeutet es nicht. Denn in einem Punkt muss man den bürgerlichen Millenials recht geben: Im Rap geht’s schon deutlich sexistischer zu als im Indie. Keine Frage. Und Millenials, die ein Klassenbewusstsein haben, müssen nicht darauf hingewiesen werden, dass es zwangsläufig ein emanzipativer Move ist, wenn ein paar wenige Frauen durch Rap Millionärinnen werden, während alle anderen Frauen aber weiter unter dem Patriachat leiden müssen. Auch und vor allem in der Musik. Darüber hinaus will auch erwähnt sein, dass Musik von Frauen im damalige Hip-Hop-Club keineswegs Standard war. Die meisten Songs wurden von Männern geschrieben, gerappt und auch von Männern abgespielt. Aber es wurden eben auch Frauen gefeiert und das deutlich mehr als in der Indie-Disco. Hip-Hop-Kinder der 00er Jahre wissen das. Und sie wissen auch, dass J-Lo immer real war und dass Ruff Ryders Eve eigentlich mehr fame verdient hätte.

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