Mietwagentape 2 oder warum es keinen richtigen Gangsta-Rap im Falschen gibt

von Markus Textor 

Celo (L.) und Abdi (Screenshot Youtube)
Celo (L.) und Abdi (Screenshot Youtube)

Celo und Abdis neues Album „Mietwagentape 2“ hievt den deutschsprachigen Gangsta-Rap auf ein neues Level. Dass die beiden Frankfurter was auf dem Kasten haben, ist Fans und Kritiker*innen schon länger bekannt. Mit ihrem neuen Album haben sie sich aber in puncto Sprache, Wortwitz und Authentizität wirklich selbst übertroffen. Doch auf YouTube fragt sich Friedl Achten in der „PULS Musikanalyse“, ob es das Feature mit dem umstrittenen Gangsta-Rapper Bonez MC wirklich gebraucht hätte. An dieser Stelle müssen wir uns generell fragen, inwiefern es guten Gangsta-Rap im falschen System gibt.

 

Celo und Abdi sind zwar Frankfurter Gangsta-Rapper durch und durch, gleichermaßen heben sie sich aber in einem entscheidenden Punkt von ihren Kolleg*innen ab. Während bspw. Haftbefehl und Schwesta Eva düstere Geschichten vom Drogen- oder Sexgewerbe in FFM erzählen, ergänzen Celo und Abdi diese Erzählungen seit ihrem ersten Album „Hinterhofjargon“ (2012) um eine politische Perspektive. Freilich kann man den beiden vorwerfen, ihre Phrasen seien an manchen Stellen platt, gleichermaßen könnte man aber in Anschluss an Chantal Mouffe auch sagen, die beiden betrieben originellen Linkspopulismus.

Apropos links: Selbstverständlich solidarisieren sich die beiden mit den palästinensischen Autonomiegebieten und ebenso selbstverständlich werden die USA großspurig kritisiert. Dies ist in diesen Rap-Kreisen weder ungewöhnlich noch ein Geheimnis und wurde bereits mehrfach und ausführlich kritisiert. Vollkommen zurecht, denn antisemitische Tendenzen im Rap sind keine Bagatelle. Nichtsdestoweniger muss aber betont werden, dass das Maß an systematischer politischer Reflexion, so wie sie bei Celo und Abdi vorzufinden ist, nahezu ein Alleinstellungsmerkmal im deutschen Gangsta-Rap darstellt. Und auch der politische Aktivismus wird nicht kleingeschrieben. So haben sich beide an einer Instagram-Aktion beteiligt, mit der sie ihren Einfluss nutzen wollten, um zu verhindern, dass die AFD in den hessischen Landtag zieht. Man kann also trotz der bekannten Kritikpunkte sagen: Celo und Abdi machen eigentlich recht gute Arbeit. Folgerichtig sagt auch Friedl Achten, dass Celo und Abdi insgesamt „irgendwo für die richtigen Sachen“ stünden. 

Auf der anderen Seite gibt es dann Bonez MC und seine Kollegen von der Hamburger 187 Straßenbande. Sie sind auch Gangsta-Rapper, doch im Gegenzug zu den Frankfurtern stehen sie eher nicht für die richtigen Sachen. Vergleichbar mit Alex DeLarge, der Hauptfigur von „Uhrwerk Orange“, vertreiben sich Bonez und seine „Jungz“ die Zeit damit, sich zu betäuben, sexuellen Trieben oder der Lust an Gewalt nachzugehen. Da die Rapper als äußerst authentisch gelten, landet gerne mal einer im Knast. Ein anderer soll seine Frau misshandelt haben usw. Das ist leider normal, wenn man lebt wie Alex DeLarge. Obwohl Bonez MC – zumindest im Real Life – etwas braver daherkommt als seine Kollegen, steht er denselben in puncto Sexismus in nichts nach. Erst letztes Jahr wurde er deutlich kritisiert, weil er in einer seiner millionenfach geschauten Stories Frauen beispiellos herabwürdigte. Im Jahr davor machte er sich über einen Fall von häuslicher Gewalt lustig.

 

 

Politisch ist bei Bonez MC und seinen Kollegen eher nicht so viel zu holen. Vielleicht mal an der ein oder anderen Stelle ein bisschen die Mehrheitsgesellschaft oder Polizei kritisieren, aber darüber hinaus geht diese Kritik nicht. Muss es ja auch nicht. Gangsta-Rap muss ja nicht per se politisch oder gar „richtig“ sein. Ganz im Gegenteil. Aber genau aus diesem Grund erfahren Bonez und seine Jungs trotz des Millionenerfolgs oftmals Ablehnung: Zu gewaltverherrlichend, zu sexistisch, zu homofeindlich usw. 

Von daher rührt auch Friedl Achtens oben erwähnte Frage, ob es das Feature mit Bonez MC wirklich gebraucht hätte. Sicherlich hätten die beiden darauf verzichten können, aber warum sollten Sie? Warum sollten sie nicht mit einem geschätzten Kollegen zusammenarbeiten, der wie sie selbst auch, mit Gangsta-Rap zu Millionen gekommen ist? Auch wenn Celo und Abdi insgesamt ganz akzeptable politische Arbeit machen, sind sie doch trotzdem immer noch Teil des durch und durch patriarchal-sexistischen Gangsta-Rap-Games. Und darüber hinaus sind die beiden Frankfurter sicherlich auch nicht als Antisexisten zu bezeichnen. Ganz im Gegenteil. Ihr Manifest „Frauen“ spricht patriarchale Bände und auch auf dem neuen Album rappt bspw. Celo auf seinem Track „GTA“ sehr unschöne Dinge, die er mit einer deutschen Frau machen möchte. Auch das ist nichts Ungewöhnliches in diesen Kreisen. Doch all das sind Dinge, die man schnell übersieht, wenn man vor lauter vermeintlich intentionalen Sexisten keinen strukturellen Sexismus mehr sehen will. Wenn man lieber schnell cancelt anstatt genauer hinzusehen. Wenn man voreilig pauschal von jemandem sagt, er stehe prinzipiell für das „Richtige“. Celo und Abdi sind begnadete Rapper und ihr politisches Engagement kann sich bis auf die berechtigte Kritikpunkte durchaus sehen lassen. Aber es gibt eben leider keinen „richtigen“ Gangsta-Rap im Falschen.

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