"Die Rüden" – Der Mann ist dem Menschen ein Hund

von Sebastian Milpetz

Der Film führe „ins Herz einer Finsternis, die heute mit toxischer Maskulinität umschrieben wird“, behauptet das Presseheft. Das Buzzword der giftigen Männlichkeit kann „Die Rüden“, aber nicht mit Leben füllen, im Gegenteil.

 

Die Versuchsanordnung und manche Inszenierungsentscheidungen des deutschen Films setzt denkbar simpel gewalttätige Männer (die Rüden, höhö) mit echten Rüden, also bissigen Hunden gleich: Tiere wie Menschen werden mit der im gleichen Stil inszenierten Verlesung ihrer Tatregister vorgestellt. In einer großen Betonarena sollen vier inhaftierte Gewalttäter (gespielt von echten Gewalttätern) mit drei bissigen Hunden mit Maulkorb (gespielt von echten bissigen Hunden mit Maulkorb) interagieren. Warum und zu welchem Zweck wird nie klar. Der Mann ist dem Menschen ein Hund oder so ähnlich.

 

Anleitung bekommen sie von Hundeflüsterin Lu Feuerbach (ein plumper, aber unklarer Verweis auf den materialistischen Philosophen Ludwig Feuerbach), die mit tragisch-wissendem Blick durch die Arena streift und offenbar selbst mit Dämonen ringt, bzw. buchstäblich wie Jakob in der Bibel mit einem Engel. Gespielt wird sie von der echten Hundetrainerin und Therapeutin Nadin Matthews, die auf ihrer Homepage markig mit blutiger Nase posiert. Die Geschichte spielt in einer unbestimmten Zukunft, was nur dadurch markiert wird, dass die Darsteller der Gefängnisleitung in Kostüme gesteckt werden wie in einer H.G.-Wells-Verfilmung der 1930er-Jahre.  Die Frau gewinnt das Vertrauen der Männer, wahrscheinlich weil sie selber traditionell-männlich agiert, das heißt regungs-und emotionslos.

Natürlich suggeriert die Regie von Connie Walter, dass Hunde und Männer nicht böse auf die Welt gekommen sind, sondern nur durch die diskursive Umwelt und die Macht der Gefängnisleitung dazu gemacht werden. Diesen Ansatz unterlaufen die gestelzten Dialoge, die den armen, durchaus glaubwürdig agierenden  Häftlingen in den Mund gelegt werden, aber immer wieder. Der Ball wird dem Individuum zugespielt („Du entscheidest, ob du verletzt wirst“). Als ein Sträfling mit Migrationsgeschichte darüber spricht, schon in Ketten geboren worden zu sein, faltet ihn Lu zusammen, so von wegen, du legst dich selber in Ketten. „Voila“, rief eine Zuschauerin im Kinosaal an dieser Stelle.

 

„Die Rüden“ ist ein auf dem Papier interessantes Experiment, eines der Art, dass das verzweifelt nach „Authentizität“ lechzende Feuilleton speicheln lässt wie Pawlowsche Hunde. „Die Rüden“ ist aber auch ein grotesk misslungenes Experiment, eine toxische (lol) Mischung aus Martin Rütters Hundeexerzitien, Scripted Reality am Sat.1-Nachmittag und prätentiöser Kunstanstrengung. Trotz  ein paar guter Bilder und Einfälle: Eine ungefilterte Doku ohne peinlichen Überbau, mit echten Häftlingen, die keine Papierdialoge aufsagen müssen, wäre tatsächlich spannend und aufschlussreich gewesen.

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