„Du lebst“ - Ironische Hypermaskulinität in der Baumarktwerbung

von Sebastian Milpetz

Der Baumarkt als letztes Refugium „authentischer“ Männlichkeit ? Stimmt schon länger nicht mehr, wenn man sich das gemischte Publikum an einem normalen Samstag bei Obi, Toom und Co. anschaut. Doch in der Werbung vor allem der Kette Hornbach wird ein neues, altes Männerbild etabliert. Aggressiv, aber mit eingebauter Ironie als Sollbruchstelle, weil es sonst in einer gendertheoretisch informierten Öffentlichkeit nicht anders funktionieren würde.

 

Ein nicht mehr junger und nicht gerade schlanker Herr spaziert nackt durch die Botanik und rollt sich einen Bergabhang hinunter, durchwälzt dabei diverse Materialen und stöhnt lustvoll auf, als ihn ein Nagel in den nackten Arsch piekst. Ein Mann ähnlicher Statur tanzt mit einer Säge im Mondschein.

In den kreativen und gut inszenierten Werbespots von Hornbach dürfen die Kerle stolz ihre Plauze präsentieren. Damit wird ein Typ Mann zum Werbeträger, der jahrzehntelang ignoriert wurde, während glattrasierte Yuppies und Sparkassenspießer dominierten. Auch wenn die neuen, dicken, alten Männer optisch nicht dem Idealbild hegemonialer Männlichkeit entsprechen, dürften sie dennoch als das durchgehen, was man landläufig „echte Kerle“ nennt.

 

 

„Du lebst“: Die Rückkehr männlicher Authentizität

Sich wieder spüren, in Einklang mit Natur und Werkmaterial sein. Die Welt sich durch körperliche Arbeit wieder aneignen. „Du lebst. Erinnerst du dich“, mit diesem Werbespruch lässt sich die Kommunikationsstrategie Hornbachs zusammenfassen. Es geht darum, mit seinen DIY-Eskapaden Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen, die hier klar maskulin kodiert wird. In der Arbeitswelt und dem öffentlichen Diskurs mag der Mann seine exponierte  Stellung verloren haben – im Hobbykeller nicht („Dein Projekt gehört nur dir“).

 

 

„Mach es zu deinem Projekt“ nennt Hornbach diese Prozedur. Damit reklamiert der Baumarkt das Schlüsselwort des digitalen Gig-Kapitalismus für sich – und versucht gleichzeitig aggressiv, sich als Urheber des Projektgedankens  einzusetzen. In der Spotreihe „Sag nicht Projekt, wenn du nicht HORNBACH meinst“ sehen wir unter anderem einen Hipster, der in einem (mutmaßlich Berliner) Cafe via Laptop von dem „crazy shit“ seines neuen Projekts schwadroniert – bis ihm jemand zu den Worten des Werbeclaims den Laptop aus der Hand schlägt. Den Angreifer bekommen wir nicht zu Gesicht, aber wir müssen uns einen dicken, bärtigen Kerl vorstellen. Jedenfalls ein echter Mann, kein verweichlichter Cafe-Arbeiter. 

Die Werbung von Hornbach ist so überdeutlich-kalkuliert markant, dass sie schon parodiert wird, vom Konkurrenten Obi.  In einem Clip wühlt wie bei Hornbach zu pathetischer Musik ein Mann in der Erde und streichelt Holz. Den Slogan „Mach es zu deinem Projekt“ klaut Obi vom Marktrivalen, bricht ihn aber. Mit dem Satz „Mach‘s aber auch mal fertig“ holt ihn seine Frau aus der Traumwelt, während die Tochter (natürlich nicht der Sohn) vorwurfsvoll daneben steht. Der Mann wird hier als das entlarvt, als das er bei Hornbach gefeiert wird: Als überemotionaler, nach Authentizität strebender Träumer, während die Frau die Stimme der Vernunft verkörpert. Das Geschlechterbild als zentrales Motiv im Kampf der Baumärkte. 

Doch eigentlich braucht Hornbach keine Parodie. Da eine ungebrochene Feier der authentischen Männlichkeit heute natürlich nicht mehr geht, bauen die Macher Ironie als Sollbruchstelle selbst mit ein. Besonders deutlich wurde die Strategie 2019 bei der Skandalkampagne „So riecht das Frühjahr“. 

 

 

Eine junge japanische Frau aus Japan zieht sich aus einem Automaten das schweißgetränkte T-Shirt eines üppigen deutschen Hornberg-Mackers und schnuppert voller Verzückung daran. Eine invertierte Anspielung auf die moderne Legende, dass sich Männer in Japan gebrauchte Unterwäsche von Schulmädchen aus Automaten rauslassen können.  Trotz (oder wegen) der knalligen Verkehrung von Klischees erntete der Spot den kalkulierten Shitstorm, mit Sexismus- und Rassismusvorwürfen. 

Ungeachtet der Brüche und dem überdeutlichen Drüber-Sein der Inszenierung spekuliert die Hornbach-Reklame mit ihrer Mischung aus Drastik, Pathos und Ironie doch auf einen Gänsehautfaktor bei der Zielgruppe. Auch ohne sich nackt durch Sägespäne wälzen zu müssen, kannst du dich als Hornberg-Mann endlich wieder lebendig fühlen. Damit zeigt sich die Werbung als typisch metamodernes Phänomen. Bei dieser kulturellen Strömung in unsere Gegenwart nach der Postmoderne ist ein Streben nach Authentizität und Gefühl im Gewand der Ironie wieder möglich.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0