James Bond: Männlichkeits-Performances von Connery bis Craig

Von Sebastian Milpetz

Mit "Keine Zeit zu sterben" geht die Ära von Daniel Craig als James Bond zu Ende. Anlässlich des Kinostarts des 25. Film um 007 habe ich mir noch einmal alle Darsteller des Agenten angeschaut, der als Verkörperung eines bestimmten Typs von "echtem" Mann gilt.

 

Dass Bond schon immer eine gebrochene, ambivalente Figur war, wird in Werbungen, Marketing und auch in journalistischen Texten zu den Filmen gerne übersehen bzw. verdrängt. Stattdessen gilt er heute als zeitloses Bild von männlicher Eleganz und Erotik. Dabei hat sich der Charakter über die Jahre immer wieder verändert. Gemäß dem Prinzip der "hegemonialen Männlichkeit" von Raewyn Connell mussten die Macher die Figur immer wieder dem Zeitgeist anpassen, um ihn als männliches Vorbild akzeptabel halten zu können. Unter den oberflächlichen Anpassungen haben sich aber stets Sedimente "toxischer" Nachkriegsmännlichkeit gehalten. 

 

Zu jedem Darsteller habe ich mir einen Film als Stichprobe genauer angeschaut, andere Werke habe ich aber gelegentlich mit einbezogen. Meine eher zufällig ausgewählten Kronzeugen waren "Feuerball" (für Sean Connery), "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" (George Lazenby), "Octopussy" (Roger Moore), "Der Hauch des Todes" (Timothy Dalton), "Der Morgen stirbt nie" (Pierce Brosnan) und "Casino Royale für Daniel Craig. 

Sean Connery: Der prollige Predator

Im Vergleich zu seinen augenzwinkernden (Roger Moore), glatten (Pierce Brosnan) und verletzlichen (Daniel Craig) Nachfolgern gilt Sean Connery als der harte Bond, der Ian Flemmings literarischer Vorlage am nächsten kommt. Die proletarischen Wurzeln und die Verachtung für die High Society des in Wattenscheid (!) geborenen Agenten lässt Connery stets durchblicken. Connerys Bond ist zynisch und teilweise schon so ironisch wie seine Nachfolger, aber eher auf eine grausame Art. 

 

Auffällig ist, das Connery im Gegensatz zu allen Nachkommen stark mimisch agiert. Sein Bond drückt Gefühle stärker im Gesicht aus als seine Nachfolger. Gerade in den ersten Filmen ist Bond noch nicht der comichaft übersteigerte, unverletzbare Übermensch. Er schreit auch mal erschreckt auf und lässt sich übertölpeln.

 

„Feuerball“ markiert innerhalb der Bond-Reihe für viele Fans den Wendepunkt, an dem das Franchise von ernstzunehmenden, verwickelten Spionage-Stories in Richtung Comic-Spektakel kippt. Auch Bond selbst wirkt hier fast als eine Art Selbstparodie, was den Film für eine Beobachtung von Bonds Männlichkeit besonders interessant macht: Der Agent blitzt bei einer Physiotherapeutin, die er während ihrer Arbeit begrabscht, zunächst ab. Er kann sie nur flachlegen, indem er sie erpresst: Er droht ihr, ihrem Chef einen Fehler von ihr zu verraten. Dann ist sie aber plötzlich total verliebt und gibt sich dem Mann hin. Der „verwöhnt“ sie immerhin mit einer Massage, was für Bond nicht gerade typisch ist.

 

Insgesamt herrscht aber bei „Feuerball“, wie in allen Bonds der 60er- und 70er, eine gar nicht mal so latente Rape-Culture vor: Das sichere Bewusstsein, dass Frauen „ja“ meinen, wenn sie „nein“ sagen… 

George Lazenby: Antithese als Eintagsfliege

Der einmalige Bond George Lazenby („Im Geheimdienst Ihrer Majestät“, 1969) war aus vielerlei Gründen eine Fehlbesetzung. Im Gegensatz zu Vorgänger Connery wirkt sein Bond bubenhaft, naiv und stoffelig. Keine Spur der Brutalität und des Klassenbewusstseins, das der Schotte der Rolle mitgegeben hatte. Schauspielerisch bleibt Ex-Model Lazenby im Vergleich zum Mimikarbeiter Connery eindimensional. Der Australier hatte aber auch eine doppelt undankbare Rolle. Einmal als Nachfolger des Ur-Bonds, und einmal, weil er in einem der merkwürdigsten 007 überhaupt mitspielte. Die Hälfte der Zeit muss sich Lazenby als asexueller Ahnenforscher verkleiden. Trotzdem fliegen die Frauen auf ihn, wenn auch nur, weil sie auf „schwache Männer“ stehen!

 

Den Rest des Films ist er in virtuos inszenierte Actionszenen (bis heute mit die besten der Reihe!) verwickelt. Großaufnahmen und längere Dialoge, um ein Profil zu entwickeln, gönnt ihm die Inszenierung nicht. Bei der Promotion zu dem Film spielten die Macher Lazenbys Rolle bewusst herunter um den Vergleich zu Connery zu vermeiden. Das schmeckte dem verständlicherweise nicht. So bekam Lazenby das Image der schwierigen, arroganten Diva und bleib eine Eintagsfliege.

Roger Moore: Die augenzwinkernde Antiquität

Der Anti-Connery. Roger Moore etablierte einen netten, sexuell eher harmlosen Bond. Die proletarischen Wurzeln der Figur, die Connery noch verkörperte, schüttelte er Moore völlig ab. Sein 007 ist durch und durch Aristokrat. Der Anzug ist stets unzerknittert, die Oberlippe bleibt stets typisch britisch steif.

 

Moores Bond ist nicht ungehobelt, sondern charmant, in „Octopussy“ wird er als „Schmeichler“ bezeichnet. Wie bei seinen Prä-Bond-Rollen in den Serien „Simon Templar“ und „Die 2“ spielt er 007 als Playboy augenzwinkernd, fast schon parodistisch. Für viele Fans war die plakative Ironie ein Sakrileg, für andere machte es die Marke Bond nach den 68er-Umwälzungen erst goutierbar - als realitätsbefreites Tongue-in-Cheek-Spektakel. In „Octopussy“ verkleidet sich 007 einmal bezeichnend als Clown, bei Connery wäre eine solche Maskerade undenkbar.

 

Die Flirtversuche des nicht mehr ganz jungen Bonds wirken bei „Octopussy“ onkelhaft, aus der Zeit gefallen. Als er bei einem Kameratest auf den Ausschnitt einer Mitarbeiterin zoomt, bezeichnet Q dies als „antiquierte Scherze“. Trotzdem bekommt Bond natürlich die Frauen. Die obligatorische Rape-Culture-Szene gibt es bei „Octopussy“ auch: Bond küsst ungefragt die Titelheldin, die sich kurz wehrt, dann in seinen Armen dahinschmilzt. 

Timothy Dalton: MacGyver mit Föhnfrisur

Nach der leerlaufenden Selbstparodie Roger Moore sollte Bond Ende der 80er-Jahre wieder hart werden, angestachelt durch die Konkurrenz der Schwarzeneggers und Stallones der Dekade. Timothy Dalton war die Wahl der Macher. Sein Bond ist ein verbissener Profi, der Kompetenz und Anstrengung ausstrahlt. Mehr MacGyver als 007. Trotz braver Föhnfrisur stehen ihm bei „Der Hauch des Todes“ Lederjacke oder Parka besser als der Smoking.

 

Hypermaskuline Sexualität strahlt sein Bond aber nicht aus, die muss von der Inszenierung behauptet werden. In einer Szene am Anfang wünscht sich eine gelangweilte Frau auf einer Jacht einen „ganzen Kerl“, bevor Bond mit dem Fallschirm an Bord schwebt. Die anschließende Sexszene findet im Off statt.

 

Den behaupteten Hedonismus seiner Figur nimmt man Dalton nie ab. Dass er einmal unvorsichtig zu zwei Frauen ins Auto steigt, weil sie ihm eine Party versprechen, (ihn dann aber kidnappen), wirkt wie ein peinlicher Fehler, der nicht zu seiner Figur passt. Gegenüber Frauen ist Daltons Bond offener als seiner Vorgänger, gibt auch mal nach. Die klassische Rape-Scene wird in „Hauch des Todes“ sanfter variiert: Anstatt seine Begleiterin einfach zu packen, flüstert er ihr ein „lass es geschehen“ ins Ohr. 

Pierce Brosnan: Schnell veralteter Yuppie

Schon vor Daniel Craig gab es mit den Brosnan-Bonds eine Art verstecktes Reboot. Erstmals bekommt 007 eine weibliche M als Vorgesetzte. Sie bezeichnet den Agenten dann auch gleich in „Goldeneye“ (1995) als „sexistischen Dinosaurier“. Mit Xenia Onatopp (haha) muss er sich im selben Film mit einer körperlich ebenbürtigen Frau schlagen. Bald ist die behauptete Anpassung an den Zeitgeist aber schon vergessen.

 

Brosnans Bond ist der aseptischste, unverletzlichste, ungerührteste 007 aller Zeiten. Seine Filme wirken heute stärker aus der Zeit gefallen als die seiner Vorgänger. Auch optisch ist Brosnan ein Anachronismus. Mit seiner Gelfrisur sieht er aus wie ein aus den 80ern herübergeretteter Yuppie.

 

„Der Morgen stirbt nie“, einer der lächerlichsten Bonds überhaupt – Over the Top, aber ohne Moores Selbstironie – schenkt uns aber eine der sprechendsten Szenen überhaupt, was Bonds Verhältnis zu Frauen betrifft. Eine Verflossene, die ihn tot geglaubt hat, konfrontiert ihn. „Bin ich dir zu nahegekommen?“ fragt sie ihn. „Ja“, kann Bond nur kleinlaut antworten. Nackter hat man 007 nie gesehen. 

Daniel Craig: Ambivalenter Neo-Connery

Mit „Casino Royale“ kam es 2006 endlich zu dem Reboot der Reihe, der schon Ende der 80er-Jahre geplant, dann aber verworfen wurde. Der Film erzählt die „Origin Story“ des Doppelnullagenten. Der junge Bond ist ungehemmt brutal, dreist, masochistisch, latent suizidal. Männer wie ihn wird man wenige Jahre später „toxisch“ nennen. Daniel Craig verkörpert ihn als ungehobelten Proll, der in den Smoking (buchstäblich) noch reinwachsen muss. Damit schließt er klar an Connery an. Wie sein großer Vorgänger befolgt er die Regeln der feinen Gesellschaft, aber mit Verachtung, wie „Bond Girl“ Vesper Lynd es explizit ausspricht.

 

Anders als Connery macht Daniel Craig das innere Brodeln des Agenten sichtbar, die Brüche in der Fassade. Bonds Körperpanzer bekommt in „Casino Royale“ erstmals Risse, er blutet, schwitzt und schreit. Am Ende verliebt sich 007 sogar in Vesper Lynd, sie dringt hinter seinen emotionalen „Schutzpanzer“ (Zitat Lynd). Doch sie verrät ihn und stirbt. Bond verwandelt sich in den Frauenfeind, wie wir ihn kennen: „Die Schlampe ist tot“. In „Skyfall“ (2012) bekommt Bond dann erstmals eine Hintergrundgeschichte angedichtet und damit so etwas wie eine Psyche.

 

Die Craig-Bonds dekonstruieren die Figur Bond, wie man es kaum für möglich gehalten hätte. Dennoch schleicht sich, gerade in „Skyfall“, durch die Hintertür so etwas wie eine Restauration klassischer Männlichkeit ein, legitimiert durch die psychologische Durchdringung der Figur. Craig kommt bei Connery an, M ist wieder ein Mann. Und Moneypenny, in „Skyfall“ zunächst noch eine gleichwertige Agentin, zieht sich ins Sekretariat zurück. Der Kreis schließt sich zu den 60er-Jahren. 

 

Achtung Spoiler

In Daniel Craigs letztem Auftritt "Keine Zeit zu sterben" drehen die Macher die Schraube noch einmal weiter. Es wird sogar angedeutet, dass Bond weint, auch wenn keine Tränen zu sehen sind. Aber Weinen gehört heute eben zu echter Männlichkeit dazu. Außerdem wird enthüllt, dass Bond mit seiner "Spectre"-Freundin Madeleine Swann eine Tochter hat! Zudem kommt er wieder mit deren Mutter zusammen, ebenfalls eine Premiere. Wenn Bond liebt, muss die Frau normalerweise sterben. Mit einer Partnerin und einem Kind ist Bond erpressbar und nicht mehr verfügbar als Sexspion. Also muss diesmal der Agent sterben...

Kommentar schreiben

Kommentare: 0