James Bond ist kein Frauenheld, sondern ein „Sexspion“

von Sebastian Milpetz

Playboy, Gentleman, Hedonist: So ist das über die Jahre gewachsene Image von James Bond. Dabei wird gerne verdrängt, dass 007 gerade am Anfang der Filmreihe vor allem ein „Raven“ ist: Ein Sexspion, der bewusst eingesetzt wird, um sich an Frauen heranzumachen. 

In der DDR nannte man sie Romeo-Agenten, im englischen Sprachraum Raven (Raben): Männliche Spione, die Frauen verführen um ihnen Geheimnisse zu entlocken. Diese „Sexpionage“ genannte Technik war im Kalten Krieg weit verbreitet, das weibliche Pendant des Raven ist die Swallow (Schwalbe) bzw. in der DDR die Venus.

 

Auch James Bond setzt diese Strategie im Auftrag seiner Majestät ein, mehr oder weniger explizit in fast jedem der bisher 24 Filmen der 007-Reihe. Der Erstkontakt mit dem feindlichen Superschurken findet meist statt, indem sich Bond an eine von dessen „Gespielinnen“ oder subalterne Mitarbeiterinnen ranwanzt. In der weniger glamourösen Realität waren es auch meist Sekretärinnen, denen sich die Romeos näherten.

 

Im Wikipedia-Artikel zu Sexpionage wird Bond als Paradebeispiel genannt, in Texten über den Agenten wird diese Tatsache aber so gut wie nie erwähnt. Sie passt nicht zu dem Traumbild des Lebemanns, als das Bond in Werbespots verkauft wird. Die Action in den Filmen und der Glamour, der im Merchandising rund um die Figur verbreitet wird, dient, überspitzt gesagt, vor allem dazu, die eher peinlichen Ursprünge Bonds als Sexspion zu verschleiern, die eher in die Richtung Sexarbeit denn in Richtung Hedonismus gehen.

Liebesgrüße im Auftrag Ihrer Majestät

Besonders deutlich wird Bonds Funktion als Raven in zwei frühen Connery-Bonds: „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) und „Feuerball“ (1965), die Teile zwei und vier der Reihe.

 

„In Liebesgrüße aus Moskau“ soll Bond eine Affäre mit Tatiana Romanova beginnen. Die Mitarbeiterin des sowjetischen Konsulats in Istanbul hat sich angeblich in sein Passfoto verliebt und will ihm eine russische Dechiffriermaschine übergehen. Bond und sein Vorgesetzter M ahnen die „Honig-Falle“, die ihm gestellt werden soll. Dennoch gehen sie darauf ein. Im Briefing vor dem Einsatz macht M unmissverständlich klar, dass er Bond als Sexspion einsetzen will. Auf dessen Frage „Und was ist, wenn ich ihren Erwartungen nicht entspreche“ antwortet M trocken: „Entsprechen Sie ihren Erwartungen“. Die realen Raven und Romeos erstellten stets ausführliche Dossiers über ihre Opfer, um passgenau deren Geschmack zu treffen.

  

Bond scheint sich in der Funktion des Romeos nicht besonders wohlzufühlen. Beim ersten Kontakt mit Tatiana gibt er sogar zu, nervös zu sein. Als die beiden im Bett liegen, versucht er sie schon vor dem Vollzug über die Dechiffriermaschine auszuquetschen.

 

Genauso deutlich wie in „Liebesgrüße“ wird Bonds Funktion als Raven in „Feuerball“. Der Agent macht sich bewusst an Domino ran, die Gespielin seines Gegenspielers Largo. Er horcht sie ebenfalls direkt im Bett aus und zieht sie schließlich auf seine Seite. Sie durchschaut sogar Bonds Tricks: „Das machst du nur, dass ich dir helfe“, sagt sei einmal. Auch mit seiner Widersacherin Fiona steigt Bond in die Kiste, macht aber explizit klar, dass es nur für „König und Vaterland“ geschah.

 

In „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) gibt es eine interessante Variation von Bonds professioneller Betttätigkeit. Hier soll er gegen Bezahlung die widerspenstige Tochter eines Verbrecherbosses zähmen. Die springt auf 007 an, macht sich aber wenig Erwartungen: „Ich hoffe, dass er sich irgendwann in mich verliebt“. Das passiert auch tatsächlich, wie in jedem Bond-Film am Ende. Doch zu Beginn des nächsten Abenteuers ist die Frau immer verschwunden. Diesmal auf besonders drastische Weise: Sie wird ermordet. 

Erklärung für Bonds Frauenfeindlichkeit?

Dass Frauen für Bond Objekte sind – berufliche und nicht nur sexuelle – erklärt sich aus dieser professionellen Perspektive, aus der er sich dem weiblichen Geschlecht nähert. 007s viel kritisierte Frauenfeindlichkeit wäre also primär eine Déformation professionnelle. Küchenpsychologisch gesprochen: An eine Frau kann er sich privat nicht binden, da sie für ihn beruflich nur ein Instrument ist, das man nach Gebrauch loswerden muss. In den ersten beiden 007-Filmen gibt es mit Sylvia Trench eine interessante Figur, die als Running Gag eigentlich in noch mehr Fortsetzungen auftreten sollte. Zwischen ihr und Bond soll sich so etwas wie eine Liebesbeziehung anbahnen, die aber immer wieder dadurch unterbrochen wird, das Bond zum Dienst gerufen wird.

 

Wenn Bond sich einmal wirklich verliebt, wie in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ oder in „Casino Royale“ (2006), muss die Frau durch die Logik der Filmreihe sterben. In einer Liebesbeziehung könnte sich Bond nicht weiter ohne Skrupel Frauen beruflich sexuell nähern.

 

Aus dieser Sichtweise sind auch Bonds harmlose, fruchtlose Flirts mit Miss Moneypenny besser zu verstehen. Beruflich ist sie als Sekretärin des britischen Geheimdienstes nicht interessant. Und als erotische Wegwerfware kann sie auch nicht dienen, da sie ihm beruflich immer wieder über den Weg laufen würde. Das Prinzip „Don’t fuck in the Factory“ scheint der stets professionelle Agent treu zu beherzigen.

 

Anders sieht es bei den Frauen aus, die auf Bonds Dienstreisen zufällig seinen Weg kreuzen. Seine manischen „Eroberungen“ (furchtbares Wort) wären aus dieser Perspektive eher eine Mischung aus Gewohnheit und beruflichem Training. „Ich will eigentlich immer, habe nur so wenig Zeit“, sagt Bond in „Feuerball“ bezeichnenderweise zu einer verliebten Physiotherapeutin, die ihn im Bett festhalten will. Besser lässt sich das beruflich-private Dilemma des 007 kaum beschreiben.

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