Prostata und Impotenz: Werbung für echte Kerle

von Sebastian Milpetz

Schlaff nach unten hängende Gurken oder Bananen. Verbogene Gießkannen. Stockmodels in Boxershorts, die verzweifelt am Bettrand hocken, die frustriert-genervte Gattin daneben. Wenn es um die Bebilderung von Impotenz, Prostatavergrößerung und anderer peinlicher Männerprobleme geht, tun sich Werbung und Journalismus immer noch schwer.

 

Doch in den letzten Jahren sind in der Reklame Bemühungen zu bemerken, tabuisierte Untenrum-Fragen zu entkrampfen und Männer dazu zu bringen, zumindest über Hilfe nachzudenken. Schließlich gilt es immer noch als tendenziell unmännlich, zum Arzt zu gehen

 

Unfreiwillig komisch im Grad der Pseudolockerheit warb 2015 die Österreichische Krebshilfe dafür, regelmäßig die Prostata untersuchen zu lassen. Zwei seriöse Herren in dem Alter, das man früher mal das beste genannt hat, erzählen, dass sie immer zusammen zur Vorsorge gehen. „Aus Liebe zum Leben“. Gut gemeint, aber cringeworthy (wie junge Leute angeblich heute sagen). Der höchste Grad von Entspanntheit besteht in den gelockerten Krawatten der beiden – oder sind die schlaffen Schlipse eine Anspielung auf die Impotenz, die nach einer Prostataoperation drohen kann? Der Spot wirbt zudem ziemlich niedlich für Freundschaft unter Männern. Denn der eine Typ geht nicht nur aus Liebe zum Leben zur Untersuchung, sondern auch aus Liebe zu Kumpel Karl. „Das sagt meine Frau auch immer“, sagt Karl schnell, um ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. „No homo“ würden Jugendliche jetzt wohl sagen. 

 

Das Unternehmen Granu Fink, das unter anderem Medikamente herstellt, die das Wachstum der Prostata hemmen, warb zunächst mit dem ganz normalen Mann von nebenan, zum Beispiel mit Christoph W. aus München. 

Doch das reichte offenbar nicht mehr, denn seit kurzem ist ein klassisches, kerniges Männermodell das neue Testimonial. Ein patenter Mann mit Salz-und-Pfeffer-Bart, der sein Auto selbst repariert und wahrscheinlich jeden Morgen hundert Kilometer schwimmt bevor er in die von ihm geführte Agentur geht. Er nimmt die Männer ins Gebet: „Wir Männer sind schon eigenartig. Wenn es ums Auto geht, unternehmen wir sofort etwas. Warum nicht auch, wenn der Harndrang immer häufiger wird?“ 

Der Spot versucht erst gar nicht, klassische Männerbilder zu unterlaufen. Stattdessen soll die Sorge um die Gesundheit darin integriert werden. Der Mann als Macher, der seine Blase wie einen leckenden Wasserhahn repariert. Primär sollen nicht durch toxische Männerbilder aufgebaute Hemmschwellen abgebaut werden, sondern Männergesundheit aus der Weicheiecke geholt werden. Anstatt wie früher „weniger müssen müssen“ lautet der Claim nun „weniger müssen, besser können“. Alter Werbertrick, ein Defizit in die Illusion von Handlungsmacht zu verwandeln.

Hängebock statt Rammbock: Impotenz in der Werbung

Einen anderen Weg geht ein Spot von Spring, einer digitalen Plattform für Männergesundheit. Eine Gruppe von Rittern versucht, mit einem Rammbock eine Burg zu stürmen. Doch der Rammbock entpuppt sich als schlaffer „Hängebock“. Mit Sätzen wie „Bau doch nicht so einen Druck auf“ und „Auf Kommando kann ich schon mal gar nicht“ ziehen sich die Recken zurück. Auf den ersten Blick werden mit den dysfunktionalen Rittern archetypische Konzepte von Hypermaskulinität gebrochen. Doch wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass die schlappmachenden Männer nicht dem (medialen) Idealbild eines Ritters entsprechen. Der eine hat eine seltsam quietschige Stimme, einer ist moppelig, der andere hat Geheimratsecken. Ähnliche Typen kennt man aus der Baumarktwerbung, wo ein scheinbar ironisches, aber unter der Hand doch ernstgemeintes Bild von Männlichkeit jenseits klassischer Schönheitsideale gepflegt wird. Der Mann, der durch die Werbung auf die Plattform Spring gelockt werden soll, soll sich aber eher von den Figuren im Spot abgrenzen wollen anstatt sich mit deren „Schwächen“ zu identifizieren. 

 

 

Ganz anders an die Sache ran gehen übrigens Hersteller von dubiosen Potenzmitteln, die nur im Netz für ihre Produkte trommeln. Sie werben ungeniert mit Bildern klassischer Maskulinität, mit nackten Muskelbergen. Der schlaffe Mann soll wieder zum Hengst werden. 

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